25. September 2024
Ohne Smartphone: Teens blühen auf
Die britische Journalistin Decca Aitkenhead motivierte 10 Jugendliche, einen Monat weitgehend ohne Smartphone zu leben. Mit frappierender Wirkung.
Im März 2024 führte Decca Aitkenhead ein Interview mit dem Sozialpsychologen Jonathan Haidt von der New York University. Thema war sein Buch «The Anxious Generation». Darin sieht Haidt einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den stark zunehmenden Ängsten und Depressionen unter Jugendlichen und der ausufernden Nutzung von Smartphones und Social Media.
Experiment zur Selbsthilfe
Die Smartphone-Abhängigkeit hatte auch Decca Aitkenhead als Mutter beschäftigt: «Wie die meisten Eltern wusste ich nicht, was ich dagegen tun sollte.» Nach ihrem Gespräch mit Haidt entschloss sie sich zu einem Experiment: Sie überzeugte 10 Jugendliche, einen Monat fast gänzlich aufs Smartphone zu verzichten. Die Jugendlichen durften das Gerät täglich nur eine Stunde nutzen. In den übrigen 23 Stunden hatten sie ein Light Phone dabei – ein Gerät mit abgespecktem Funktionsumfang. Mit einem Light Phone kann man nebst telefonieren z.B. Textnachrichten senden.
Ungetrackt unterwegs
Zudem schickte Aitkenhead die Teenager ohne Smartphone und ohne Begleitung von Erwachsenen auf ein zweitägiges Wildcamping. Hintergrund war die Tatsache, dass viele Eltern ihre Kinder über das Smartphone tracken, damit sie stets wissen, wo sie sind. Das verstärkt zum Beispiel die Angst von Jugendlichen, ohne das Smartphone unterwegs zu sein – ein Faktor, der die Abhängigkeit vom Gerät noch verstärken dürfte. Aitkenhead schreibt über die Jugendlichen nach diesem Ausflug: «In weniger als 36 unbeaufsichtigten Stunden scheinen sie um etwa zwei Jahre reifer geworden zu sein.»
Befreit von Gedankenballast
Zum Digital-Detox-Experiment sagte ein Jugendlicher: «Du beginnst zu erkennen, dass es keine Rolle spielt, was auf deinem Smartphone passiert.» Ein anderer Teilnehmer kam zum Schluss, dass 99 Prozent der Gespräche in seinen WhatsApp-Gruppen sinnlos waren, und schaltete die meisten von ihnen stumm. Unter den Schattenseiten von Social-Media-Plattformen leiden besonders die Mädchen. Ein Mädchen fragte sich, warum Eltern ihrem Kind überhaupt ein Telefon geben. «Wenn man weiss, wie schädlich es ist – nur Druck und Spitznamen und Etikettierungen und unmögliche Standards – warum sollte man seinen Kindern das geben?» Aitkenhead berichtete über das Experiment in der Sunday Times. Der Artikel steht hinter einer Bezahlschranke.
Die Website zum Buch
Zum Buch «The Anxious Generation» gibt es eine Website. Unter dem Menüpunkt «Take Action» finden Sie Ratschläge, wie Eltern und Schulen auf die Smartphone- und Social-Media-Entwicklung reagieren können.
Foto: Beat Hühnli