Ehrlichkeit: Wandern auf dem schmalen Grat

Das Personalmagazin ist ein hochklassiges Führungsintrument: Es holt die Mitarbeiter ins Boot und stärkt das Internal Branding. Doch manchmal verspielt das Magazin leichtfertig die Gunst der Leserinnen und Leser.

Sie arbeitete als leitende Redaktorin eines Personalmagazins – und sie war verstimmt: «Ich habe die Schönschreiberei satt. Unsere Firma verwechselt Wunsch und Realität, und ich frage mich, ob wir damit nicht an Glaubwürdigkeit verlieren.» Gut gefragt und richtig getippt. Ja, die Firma schadet ihrer Glaubwürdigkeit, wenn das Magazin den Unternehmensalltag verklärt.

Informieren – nicht ablenken
Vertuschen und Schönreden ist ein Hauptfehler der internen Kommunikation. Noch immer behandeln Chefs ihr Personal, als hätte es seine Sinne ausgeschaltet und würde den Braten auch dann essen, wenn er verkohlt ist. Und so schreibt man zum wiederholten Mal über die schöne Herbstmesse, aber der Umsatzdruck des Verkaufspersonals kommt nie auf die Agenda. Ablenkung statt Klartext. Der Redaktor mutiert zum Märchenonkel. Zwar gibts quer durch die Abteilungen rote Köpfe wegen des jüngsten Entscheids aus der Teppichetage, doch das Personalmagazin hüllt sich in Schweigen.

Gift für die Motivation
Ursache für solche Versteckspiele ist oft pure Angst: Es könnte jemand erkennen, dass die Entscheide des obersten Gremiums nicht bis ins Letzte durchdacht sind. Nun, das ist erstens normal – niemand kann jede Auswirkung seines Handelns vorhersehen – und zweitens merken ohnehin alle, dass die Geschäftsleitung nicht perfekt ist. Warum also die Probleme unter den Teppich kehren? Durch manipulierte Berichte verscherzt sich die Unternehmensleitung das Vertrauen der Belegschaft. Und wo das Vertrauen schwindet, leidet die Motivation.

Wahrheit mit Rücksicht
Was also tun? Die Probleme im Unternehmen schonungslos breitwalzen? Natürlich nicht. Das würde erstens die Mitarbeiter entmutigen. Zweitens geniesst das Personal, aber auch das Unternehmen selbst, Persönlichkeitsschutz, was bedeutet: Offenheit hat Grenzen, kann nie total sein. Und drittens haben Personalmedien eine andere Rolle als die Forumspresse. Während Zeitungen und Zeitschriften für den öffentlichen Diskurs sorgen und mit diesem Ziel häufig Akteure angreifen und Entscheide kritisieren, wird von den Personalmagazinen mehr Rücksicht verlangt.

Eine Gratwanderung
Positive Nachrichten in einem Personalmagazin sind gut und nötig. Sie sollten die Berichterstattung zweifellos dominieren – wer arbeitet schon gern für eine erfolglose Firma? Das ist aber nur eine Seite der Medaille. Genauso gilt: Was die Mitarbeiter beschäftigt, muss auch das Personalmagazin beschäftigen. Rücksichtnahme ist kein Freipass, um lauter Wohlfühltexte zu schreiben. Denn glaubwürdig und damit von Nutzen sind Personalmedien nur, wenn sie die Mitarbeiter ernst nehmen und wichtige Entwicklungen in der Firma aufs Tapet bringen – auch mit ihren Schattenseiten. Wie gross jeweils die Offenheit sein kann und muss, dafür gibt es kein Rezept. Es ist eine Wanderung auf einem schmalen Grat: zwischen zu wenig und zu viel Offenheit; zwischen dem Anfassen heisser Eisen und der Berichterstattung über positive Entwicklungen; zwischen Motivation und Manipulation. Will man das Personal überzeugen, braucht es zweierlei: gut unterrichtete Informationszulieferer und eine kompetente Redaktion, die frei arbeiten kann – ohne unprofessionelle Interventionen der Geschäftsleitung. Ob ein Text fürs Personalmagazin taugt, finden Autoren mit einer einfachen Frage heraus: «Möchte ich in der Haut meiner Leser stecken?»

Gut für die Marke
Die Erfahrung zeigt: Mitarbeiter, die sich dank glaubwürdiger Kommunikation ernst genommen fühlen, sind zufriedener, besser integriert und leisten mehr. Sie begegnen den Kunden zuvorkommender, sind also glaubwürdigere Botschafter ihrer Marke und stützen damit das Image der Firma in der Öffentlichkeit. Es lohnt sich daher, ans Personalmagazin einen hohen Qualitätsmassstab anzulegen. Wer heute seine Belegschaft überzeugen will, sollte das interne Blatt mit Sorgfalt und Know-how produzieren. Journalistische Qualität ist ein Muss – und dazu gehört es, die brennenden Themen aufzugreifen und lesernah zu präsentieren.

Details

Kategorie

Personalmedien

Stichwörter

, ,

Datum

Autor